Ein Männchen und ein Weibchen ergeben nicht immer ein Paar

Mit dieser seit Jahren bekannten und leidigen Tatsache werden Jahr für Jahr aufrückende Generationen von Cichlidenfreunden konfrontiert. Besonders trifft es dabei jene, die ihre „Karriere“ mit paarbildenden Offenbrütern beginnen.
Wenn man nun bedenkt, wie tiefgründig Teile der Aquaristik heute betrieben werden, wird augenscheinlich, welcher Nachholbedarf zur Ergründung gerade dieses Phänomens noch immer besteht. So wird denn auch von selbst namhaften Autoren immer nur die Tatsache, bestenfalls der Weg zum Erfolg beschrieben. Dazu heißt es dann, dass die erfolgreiche Vermehrung von harmonisierenden Paaren oder die Zusammenstellung erfolgreicher Paare schwierig ist. Den besagten Weg zum Erfolg sieht man deshalb im Sichfinden von Paaren aus einer Gruppe Jungfische. Nun ist diese Definition zwar wenig befriedigend, sie entspricht aber durchaus den Erfahrungen. Ich meine aber, sie bietet mehr Information als das zunächst erscheint.

 

Der Weg zu dieser Information führt direkt über wichtige Erkenntnisse des Verhaltens. So beschrieb WICKLER 1967 zwei Kombinationen im Fortpflanzungsverhalten von Buntbarschen. Danach ist es für Arten mit gleichem Aussehen der Geschlechter (Sexualmonomorphismus) charakteristisch, dass sie feste Paare bilden (Monogamie) und ihre Brutbiologie sie als Offenbrüter ausweist. Konkret heißt das:

Sexualmonomorphismus = es besteht kein artbedingter Größen- oder Farbunterschied zwischen den Geschlechtern

Monogamie = Zusammenhalt eines Paares mindestens bis zur Selbständigkeit einer Brut

Offenbrüter = das Gelege bzw. die Nachkommen werden offen, nicht in Höhlen oder anderen Verstecken aufbewahrt.

Nach heutiger Kenntnis liegen diese Bedingungen bei den Arten der Gattungen Symphysodon, Pterophyllum, Uaru, Astronotus, Geophagus, einigen heute noch zu Aequidens gezählten Arten, bei vielen Cichlasoma sowie bei Papiliochromis und Etroplus mit gewissen Einschränkungen bestätigt. Schon hier fällt auf, dass diese Aufzählung eine ganze „Problemgruppe“ im Hinblick auf das Thema enthält. So wird die zweite Kombination im Fortpflanzungsverhalten von folgenden Merkmalen charakterisiert.
In Verbindung mit dem ungleichen Aussehen der Geschlechter (Sexualdimorphismus) gehen die betreffenden Arten keine oder nur bedingte Paarbindungen ein (Polygamie) und ihre Brutbiologie weist sie als Versteckbrüter aus. Konkret heißt das:

Sexualdimorphismus = artbedingter Größen- und (oder) Farbunterschied zwischen den Geschlechtern

Polygamie = kein unbedingter Zusammenhalt eines Paares bis zur Selbständigkeit einer Brut

Versteckbrüter = das Gelege bzw. die Nachkommen werden eine Zeit versteckt aufbewahrt.

Diese Merkmale finden wir bei den Arten der Gattungen:
Apistogramma, Apistogrammoides, Nannacara, bei einigen „Cichlasoma“ u. a. Hierzu können z. B. auch die meisten ostafrikanischen Maulbrüter gezählt werden, denn auch sie zeigen sich in starkem Maße sexualdimorph und polygam.
Gänzlich anders und über die Erkenntnisse von WICKLER (1967) hinausgehend verhalten sich einige Nanochromis- und Pelvicachromis-Arten. Sie unterscheiden sich sowohl in der Größe und Farbe der Geschlechter (sexualdimorph), gehen feste Paarbindungen ein, sind aber Versteckbrüter.
Eine ähnliche Abweichung von der "Norm“ kennen wir aber auch bei einigen Versteckbrütern aus dem Tanganjika-See, z. B. Julidochromis. In der Gattung Crenicara sowie Discrossus herrschen folgende Verhältnisse:

Die hier bekannten Arten sind stark sexualdimorph und polygam, ihre Brutbiologie weist sie aber als Offenbrüter aus.
Vergleichen wir nun die Gruppen mit unseren Erfahrungen, so ist folgendes festzustellen: Vor allem jene Arten mit fester Paarbildung haben gelegentlich Schwierigkeiten sich zusammenzufinden oder miteinander auszukommen. Davon können sowohl Discus- als auch Julidochromis-Pfleger ein Lied singen.
So unüberbrückbar verschieden sich diese Gattungen bzw. deren "Problemfische“ aber auch gegenüberstehen, eines haben sie und ihre nächsten Verwandten gemeinsam. Es bedarf bei diesen und wahrscheinlich allen paarbildenden Buntbarschen einer langen Zeit des Kennenlernens der Partner, gefolgt von der Tatsache einer längeren, oft über Tage andauernden Balz und Brutvorbereitung. Mit alledem haben polygame Arten keine Schwierigkeiten. Binnen 30 Minuten finden sich die Partner (wohl auch durch ihr unterschiedliches Aussehen). Sie balzen und laichen gegenüber den anderen in Rekordzeit. Analysieren wir aber weiter und vergleichen die unterschiedlichen Verhaltensweisen. Vielleicht finden sich dort gewisse Ansatzpunkte, unsere Fische "zu verstehen“, zu verstehen, warum hin und wieder ein Männchen und ein Weibchen, willkürlich verpaart, so schlecht miteinander auskommen.

Zum besseren Verständnis – zwei gegensätzliche Beispiele:
Mesonauta festivus und Nannacara anomala Von beiden ist aus Freiwasserbeobachtungen bekannt, in welchem Grade Bindungen zwischen den Partnern entwickelt sind. Dabei bestätigen sich die Beobachtungen im Aquarium, dass M. festivus nicht nur zur Brutzeit in enger Partnerschaft, sondern oft lebenslang zusammenhält. Im Gegensatz dazu lebt N. anomala fast als Einzelgänger. In der Natur wie im Aquarium finden sich die Partner praktisch nur kurz zusammen, um zu balzen und bei entsprechender Reife den Laichakt zu vollziehen. Unmittelbar danach wird das Männchen wie ein Feind vertrieben. Hier setzt praktisch die ökologisch bedingte Notwendigkeit zu unterschiedlich entwickeltem Verhalten an. Während Nannacara-Weibchen allein fähig und mächtig genug sind, das versteckte und dadurch geschützte Nest zu betreuen, sind dazu bei den viel größeren, wenig wendigen M. festivus und bei deren offener Brutpflege wesentlich mehr Aufwand und Aufmerksamkeit notwendig. Die Partnerbeziehungen, aber auch die längere Zeit bis zur Selbständigkeit der Brut machen das deutlich.

Grundverschiedene ökologische Bedingungen ersparen also der einen Art eine längere Partnerschaft, während sie für die andere unabdingbar ist. Von diesen Gesichtspunkten leitet sich daher die Gesetzmäßigkeit ab, nach der es bei allen Offenbrütern, bei denen beide Eltern brutpflegen, einer langen Phase des "persönlichen“ Kennenlernens der Partner bedarf. Auf paarbildende Buntbarsche beschränkt, beginnt das schon vor der eigentlichen Geschlechtsreife, nämlich in den sogenannten Pulks oder Schulen fast erwachsener Jungfische. Diese Gruppen sind zunächst ohne Anführer, jedoch werden Männchen mehr und mehr dominant, ohne dass sich andere Geschlechtsmerkmale erkennen lassen. Die Weibchen bleiben dabei untergeordnet oder völlig defensiv, orientieren sich aber schon auf die dominierenden Männchen. Mit ihnen sondern sie sich früher oder später ab (wenn sie dafür genügend Raum haben) und bilden schon jetzt gewissermaßen anonyme Paare. In der Folgezeit wird vermutlich auch eine "innere“ Bindung der angehenden Brutpartner hergestellt. Das zeigt sich u. a. darin, dass die noch juvenilen Tiere sich nach vorübergehender Trennung wiedererkennen, denn sie werden bei eintretender Geschlechtsreife bzw. Paarbildung eindeutig bevorzugt. Geschieht das aus der Erinnerung? Bei ungenügender Beobachtung der Vorgänge kommt aber gerade jetzt für viele die Zeit der Trennung. Denn völlig wahllos oder nach züchterischen Gesichtspunkten wird nun zu Paaren gemacht, was geradeso ins Netz geht.

Häufiges Resultat:
Der gegebenenfalls "neue“ Partner wird nicht gleich oder nie anerkannt, bedingt durch schon zu starke Bindung und Erinnerung an den oder die "Selbsterwählte“. Sie meinen, das sei Hypothese? Nun, wie es aber möglich, dass viele von den paarbildenden Buntbarschen auch außerhalb einer Fortpflanzungsperiode zwischen dem Brutpartner und fremden Tieren wohl zu unterscheiden wissen. Wenn wir uns dazu vergegenwärtigen, wie ähnlich oder identisch sich vor allem jüngere Paare uns zeigen, dann muss man wohl oder übel und mit ein wenig Ehrfurcht erkennen, auch hier ist längst nicht aller Tage Abend.

 

 

Lothar Zenner