Cryptocorynen-Nachwuchs "aus der Retorte"

Jeder Aquarianer freut sich, wenn es Ihm gelungen ist, Problemfische nachzuzüchten. Ebenso stolz sind die Unterwassergärtner, wenn sie die Vermehrung von schwierigen Pflanzen in den Griff bekommen haben. Die Zucht tropischer Wasserpflanzen für die Aquaristik ist heute sogar dringend notwendig: Immer häufiger lesen wir, dass zum Beispiel ganze Cryptocorynen-Bestände in Thailand buchstäblich aus Profitgier ausgerottet wurden; und auf Madagaskar sind manche Wasserähren-Arten bedenklich dezimiert worden.

 

In meinem Aufsatz "Das Liebesleben der Cryptocorynen" habe ich ausführlich über die natürliche Bestäubung der Wasserkelche nach dem Kesselfallenprinzip berichtet. Versuche. diese natürliche Befruchtung mit Hilfe kleiner Insekten nachzuahmen, scheiterten. Auch die künstliche Bestäubung - mit einem feinen Haarpinsel überträgt man den Pollen auf die Narben - brachte zunächst nicht den gewünschten Erfolg: keimfähige Samen, denn die Fruchtansätze zerfielen nach kurzer Zeit. Erst nach langem Herumlaborieren fand ich des Rätsels Lösung: Die Fruchtstände müssen, wenn sie künstlich bestäubt sind, nach ungefähr drei Tagen überflutet werden, erst dann erhalten wir keimfähige Samen, denn von Natur aus stehen die Blütenkessel im Wasser oder Schlamm.
Um überhaupt Samen zu erhalten, müssen wir erst die Wasserkelche zum Blühen bringen, und das ist nur möglich, wenn sie nicht untergetaucht, sondern als Sumpfpflanzen kultiviert werden. Zunächst topfen wir junge Pflanzen - gleich hohe Töpfe verwenden - ein und stellen sie zur Bewurzelung untergetaucht zwei Monate in ein Aquarium. Danach quartieren wir die jetzt gut angewurzelten Cryptocorynen in ein niedriges Becken um; wenn der Standort nicht genügend Tageslicht erhält, beleuchten wir ihn zusätzlich mit Kunstlicht. Nun wird in das Becken so viel Wasser gegossen, bis der Wasserstand zwei Zentimeter über dem Topfrand steht. Gut angewurzelte Pflanzen schieben neue Triebe über die Wasseroberfläche hinaus und treiben dort "Luftblätter‘. Für diese Art Sumpfpflanzenkultur eignen sich am besten Cryptocoryne petchii. C. beckettii, C. lutea, C. wendtii, 0. willisii und C. nevillii.
In der Natur verläuft die Übertragung der Pollen auf die Narben recht umständlich, die künstliche "Hochzeit dagegen wird auf das Notwendigste beschränkt und vereinfacht. Für eine Erfolg versprechende künstliche Bestäubung benötigen wir zwei Blütenstände, die in drei Tagen Abstand zueinander aufblühen müssen. Von beiden Blüten wird das Scheidenrohr am Ansatz weg geschnitten. Der ältere Blütenkolben wird ganz abgetrennt, und mit seinen Staubblättern werden die Naben der jüngeren Blüte bestrichen. Der junge, besamte Fruchtknoten bleibt drei Tage im Trockenen stehen, danach wird der Topf so ins Wasser gestellt, dass der Fruchtansatz geflutet wird; die Blätter dagegen dürfen nicht untergetaucht werden.

Jetzt brauchen wir nur zu warten, bis die Samen reif geworden sind, dies ist in der Regel nach ungefähr fünf Monaten geschehen. Die reifen Samen werden aus der Frucht entlassen und nach Möglichkeit sofort "ausgesät", denn trocken aufbewahrt verlieren sie rasch ihre Keimfähigkeit. Die Samenkörner sammeln wir in ein Glas, füllen es zur Hälfte mit Wasser und hängen es in ein geheiztes Becken. Die jungen Keimlinge bleiben etwa vier Wochen im Glas, und bis dahin haben sie schon kleine Blättchen getrieben. Nun bereiten wir einen größeren Blumentopf vor: Das Abzugsloch verstopfen wir, dann füllen wir ihn mit sandiger Aquarienerde und decken die obere Schicht mit sauberem Sand ab. In diesen Topf pikieren wir die Sämlinge in einigen Zentimetern Abstand. Danach stellen wir den Topf in ein flaches Becken, das weiches Wasser enthält. Die jungen Cryptocorynen dürfen wir nicht zu früh verschulen, daher müssen wir darauf achten, dass wir beim Pikieren den notwendigen Abstand halten, denn im Anfangsstadium nehmen uns die Pflänzchen jede Störung leicht übel, und ihr Wachstum gerät ins Stocken. Sind die Wasserkelche "halbstark" geworden, können wir sie ins Aquarium pflanzen. Dabei achten wir, dass an jedem Pflanzenwürzelchen ein kleiner Erdballen erhalten bleibt. Mit diesem Ballen werden die jungen Wasserkelche ins Aquarium verschult. Nun wachsen unsere selbst gezüchteten Cryptocorynen ohne Störung dort gut weiter.

 

 

Kurt Paffrath †