Wer kennt sie nicht, die überall in der Laubschicht unserer Wälder vorkommenden Tausendfüßer?
Sie begegnen uns eigentlich überall wo es feucht und relativ warm ist. Bei uns sind die Tiere recht klein, während es in den Tropen und auch in anscheinend sehr ariden Gebieten wahre "Riesen" bis zu 30 - 40 cm Länge gibt.
Nach verschiedenen Taxonomien werden die Tausendfüßer unterschiedlich eingeteilt.
Löser setzte als Gruppe: Myriapoden (Tausendfüßer) ein und zeigt als Familie: die Diplopoda (Doppelfüßer), die eigentlichen Tausendfüßer, auf. Zur gleichen Gruppe gehören nach Löser die Chilopoda (Hundertfüßer), die Symphyla (Zwergfüßer) und die Pauropoda (Wenigfüßer). Andere Taxonomen finden andere Verwandtschaftsbeziehungen, was ich aber hier nicht ausdiskutieren möchte, da es dem Halter so relativ egal sein kann, da die Diplopoda noch weniger determiniert sind als andere Arthropoden (Gliedertiere).
Wer sich näher informieren möchte, kann dies in meinem im Sommer erscheinenden Buch über Chilopoda tun, in dem ich die verschiedenen Taxa gegenüber stelle.Nun, die Tausendfüßer sind sehr interessante Tiere. Sie sind recht primitiv und ursprünglich gebaut und völlig harmlose Bewohner der unteren Laubschichten, wo sie zur Vermehrung des Humusgehaltes beitragen.
Die Schnurfüßer haben einen mehr oder weniger runden, in einzelne Segmente gegliederten Körper. Typisch ist, dass jedes Körpersegment ein doppeltes Beinpaar trägt, daher der wissenschaftliche Name Diplopoda. Die maximale Beinzahl liegt bei 240.
Der Begriff "Schnurfüßer" ist auf die Art der Bewegung zurückzuführen: läuft so ein Diplopode, sieht es aus, als ob die Beinchen wie von einer Schnur gezogen eine Vorwärtsbewegung durchführen, würde man Fußstapfen entdecken, wären diese präzise hintereinander, eben schnurförmig angeordnet. Der Kopf ist oft kugelig (abhängig von Gattung und Art), trägt zwei Antennen oder Fühler, die recht kurz sind. Beiderseits um die Fühler herum sind Einzelaugen (= Ocellen) angeordnet, die nur eine geringe Sehkraft haben (es gibt auch ganz blinde Arten). Der Körper ist sehr fest, da er von einem dichten Chitinmantel umgeben ist. Hier wird Kalk eingelagert, den die Tiere unbedingt durch ihr Futter aufnehmen müssen. Wie bei vielen Arthropoden erfolgt eine Häutung, damit das Tier wachsen kann. Es zieht sich in tiefere, feuchte Schichten zurück, verharrt dort etliche Zeit und häutet sich.
Es besteht ein Geschlechtsdimorphismus, der für den Laien aber nur recht schwer zu erkennen ist: Die äußeren Geschlechtsmerkmale sind am siebten Körpersegment, die Geschlechtsöffnungen im Bereich des zweiten Laufbeinpaares. Typisch für die männlichen Tiere ist, dass die Beinpaare des siebten Körpersegmentes zu so genannten "Begattungsfüßen" umgewandelt sind, was man bei großen Exemplaren gut erkennen kann.
Die Tiere sind sehr gesellig, aber nicht sozial. Man kann ohne Probleme alle Größen zusammen halten, Jungtiere und Alttiere leben ohne sich zu behelligen nebeneinander. Ebenso sind alle Arten untereinander verträglich. Trotzdem sollte man aus prinzipiellen Erwägungen, da die Taxa der Tiere dem Halter weitgehend unbekannt sind, nur Tiere einer Art zusammen halten.Bei der Begattung "liegen Tausendfüßer bäuchlings aufeinander", wobei die Begattungsfüßchen den Samen in die Geschlechtsöffnung des Weibchens befördern. Vor der Begattung hat das männliche Tier den Samen mit seinen Begattungsfüßchen aus seiner Geschlechtsöffnung entnommen.Nach erfolgter Befruchtung legt das Weibchen Eier ab, was mehrere Tage dauern kann. Die Kleinen schlüpfen als winzige Larven mit nur wenigen Körpersegmenten. Bei jeder Häutung vermehrt sich diese Segmentanzahl. Vor den Häutungen verblassen die Farben des Panzers und die Tiere vergraben sich. Es dauert geraume Zeit, bis ihre neue "Haut" zu einem Panzer geworden ist und das Tier wieder seinen gewohnten Lebenswandel aufnimmt.Die Lebenserwartung der großen Arten liegt bei mehreren Jahren, manche Autoren sprechen von bis zu 10 Jahren.
Die harmlosen Tiere haben eine effektive Abwehrwaffe, ein Abwehrsekret, das eine Flüssigkeit absondert, die neben dem harten Exoskelett die Fressfeinde abschreckt. Je nach Art schwankt die Zusammensetzung: Essigsäureanteile, Fruchtsäuren, auch Blausäure. Beim Hantieren mit den Diplopoden bekommt man gefärbte Finger, auch sollte man die reizende Flüssigkeit nicht in die Augen reiben.Die Tiere fressen alle Pflanzenabfälle. Besonders wichtig für die Terrarienhaltung ist die Gabe von halbierten Kartoffeln, mit deren Hilfe sie ihr Skelett aufbauen. Ein Lieblingsfutter sind Gurken und Zucchini.Das Terrarium kann ein ganz einfacher Plastikbehälter sein, der mindestens mit 15 cm Erdreich gefüllt wird, welches mit Sepiakalk angereichert wird. Darüber wird Laub gestreut, durchsetzt mit kleinen Ästchen. Wurzelwerk und Rindenstücke vervollständigen die Einrichtung. Helles Licht ist zu vermeiden. Das Substrat muss immer feucht sein, da die Tiere nur einen geringen Verdunstungsschutz besitzen. Bei tropischen Species sind Temperaturen bis 30 °Celsius angesagt, die man am Besten mit einer Rotlichtbirne erzeugt, da die Tiere eben keine Helligkeit lieben. Um die Luftfeuchte zu erhalten, übersprüht man ein- bis zweimal in der Woche. So sind sie den ganzen Tag über aktiv.Sie sind sehr kräftig, so dass ein lose aufgelegter Deckel nicht ausreicht, sonst krabbeln die Tierchen bald lustig durch die Wohnung.Wichtig ist eine ausreichende Durchlüftung des Behälters, da Staunässe tödlich wirkt. Ein Problem können Milben werden. Sind es wenige, wird man ihrer schnell Herr. Bei Milbenbefall sollte man immer das gesamte Terrarium lehren, alles wegwerfen und den Behälter neu einrichten.Nach meinen Erfahrungen ist es sehr nützlich, die Tiere bei Befall lauwarm abzuduschen und in einen mit Haushaltsrolle ausgelegten leicht feuchten Plastikbehälter zu überführen. Tägliches Auswechseln des Papiers ist unumgänglich. Die Tiere "bürstet" man mit einem feinen Pinsel ab, nützt dies alleine nichts, hilft ein Einreiben mit Alkohol, der die Milben und deren Eier vernichtet.
Ein weiteres Problem, das Weichwerden der Tiere, ist noch nicht zufrieden stellend zu lösen. Verursachung ist fehlender Kalk. Man kann versuchen, die Tiere einzustäuben und das Futter sehr stark zu kalken. Frisst der Pflegling nicht mehr, ist dies allerdings zwecklos. Dann ist es sehr schwierig, das Tier am Leben zu erhalten (nur mit viel Glück).Insgesamt muss auf dem Gebiet "Diplopoden" noch viel geforscht werden. Sie sind sehr interessante Pfleglinge, auch ausdauernd: nur – man muss sich intensiv um sie kümmern, sie sind keine Tiere für nebenher!
Herbert Saurer