Apistogramma sp. "Blutkehl"

Späte Einsichten: Die Nachzucht des Blutkehl-Apistogramma

Zum Gedenken an meinen Freund Rolf Nestler - Mitbegründer des Arbeitskreises Zwergcichliden im VDA (AKZ) - und langjähriger Vorsitzender des Vereins Kölner Aquarien- und Terrarienfreunde gegr. 1946 e. V.

Typisches Merkmal scheint ein blasser Fleck vor dem gleich großen Cichlidenfleck an bekannter Stelle zu sein. Auch kann die dunkle mittlere Längsbinde zu mehreren rundlichen Flecken bzw. Punkten aufgelöst sein.

AApistogramma sp. "Blutkehl"
Zwei Männchen von Apistogramma sp. "Blutkehl" beim Rivalenkampf

 

 

Dazu sei gesagt, daß der für fast alle bei uns gepflegten Arten typische Analstrich der Weibchen hier fehlt. Die Schwanzflosse ist schwach, aber noch deutlich gegabelt. Die Rückenflosse besitzt einen roten Saum, der weiter hinten weißlich wird, und die Bauchflossen haben einen sehr schmalen, schwarzen vorderen Rand.

Bei der Gestaltung des Logo für den Arbeitskreis Zwergcichliden waren Vereinsfreunde aus Köln maßgeblich beteiligt. So auch Rolf Nestler.

Der im Logo dargestellte Zwergbuntbarsch hat keineswegs nur symbolische Bedeutung, sondern ist Teilergebnis und Hintergrund einer 1978 erfolgten Untersuchung arttypischer Zeichnungsmuster.

Ein naher Verwandter: Apistogramma sp. "Segelflosser"

Auf recht abenteuerlichem Weg war die Art lange vor dem "Mauerfall" in meinen Besitz gekommen. Abenteuerlich ging es auch weiter: So fand sich damals keine Vergleichsmöglichkeit zu anderen Arten hinsichtlich ihrer Flossengestaltung. Absolut einmalig war (und ist ?) die bei beiden Geschlechtern verhaltensbedingt sichtbare Kopfmaske. Sie besteht aus zusätzlich zwei Binden (zuzüglich einiger Flecken), die ansetzend am Vorderrand der Kiemendeckelbinde um die Kehlgegend herumführen und an gleicher Stelle auf der anderen Kopfseite enden.

Diese Maskenzeichnung von dunkelvioletter Färbung auf silberweißem Grund gibt der Art neben anderen eigenwilligen Zeichnungen einen besonderen Reiz.Das Weibchen ist in Zeichnung und Brutfärbung Apistogramma agassizii ähnlich.

Das Gesamtbild zeigt eine sehr schlanke Art mit fast torpedoförmigem Körper. Die Rücken- und Bauchlinie ist gleichmäßig ausgebogen, der Augendurchmesser ist etwa gleich der Schnauzenlänge. Beide Geschlechter haben zwei stark ausgebildete Körperlängsbinden, wobei eine am Rücken und die andere in der Körpermitte verläuft. Darunter sind zeitweise zwei oder drei schwarzgerandete, parallel verlaufende Schuppenreihen stärker sichtbar (besonders beim Männchen erkennbar). Weitere Merkmale sind tiefgegabelte Schwanzflossen mit feinem Wabenmuster, extrem schmal angesetzte säbelförmige orangerote Bauchflossen und ebenso gefärbte Aferfossen mit violettem vorderen Saum und eine sehr hohe, mächtig entwickelte Rückenflosse beim Männchen. Als besonderes Merkmal ist weiterhin herauszustellen, daß der erste Stachel schon etwa 3/4 bis 4/5 der Gesamthöhe, der zweite Stachel schon die größte Höhe erreicht. Stachel 1 - 3 sind im oberen Drittel auffallend gekrümmt, Stachel 1 richtet sich dabei sogar etwas zum Kopf, während sich die anderen wieder etwas nach hinten krümmen. Ist die Flosse angelegt, entsteht an deren Saum eine leichte Wellenlinie. Im großen und ganzen handelt es sich bei dieser Art eher um eine Filigranarbeit der Natur als um ein Kompendium an Farben. In Zeichnung und Verhalten ist sie ein Harlekin unter den Zwergen. Dabei ist unbedingt zu berücksichtigen, daß diese Feststellungen zwangsläufig nur an einem einzigen Paar erfolgten. Vergleiche zu anderen Tieren fehlen.

Für die Pflege gelten die gleichen Grundregeln wie für andere Vertreter der Gattung. Eine Überempfindlichkeit gegenüber den in der Aquaristik gebräuchlichen Chemikalien liegt nicht vor. Die Aggressivität der Männchen gegenüber Geschlechtsgenossen und gegen Weibchen macht es aber notwendig, die Tiere in nicht zu kleinen Aquarien zu halten und diese mit mehreren Versteckmöglichkeiten unübersichtlich zu gestalten. Nicht laichbereite Weibchen sollten Höhlen zum Unterschlupf erhalten, durch deren Eingänge nur sie selbst passen.

Ausgehend von der Wasserqualität, die mir zur Verfügung steht (dGH 3°), scheint die Vermehrung nicht leicht zu sein. Der Tatsache, daß es nicht gelang, für eine Arterhaltung genügend Jungfische aufzuziehen, geht voraus, daß wohl mehrere Gelege von jeweils 100-150 Eier abgegeben wurden, zweimal unter Verwendung von Methylenblau (2,5%ige Lösung - 10 Tropfen auf 5 l) lediglich 50 bzw. 100 Larven schlüpften.

In der Zeit bis zum Freischwimmen verpilzten aber nahezu alle Eier trotz des Einsatzes verschiedener, die Pilzentwicklung hemmender Mittel. Ein weiteres leidiges Problem, das der erfolgreichen Vermehrung im Wege steht, ist das Eierfressen der Eltern, insbesondere des Weibchens.

Eine sich bis jetzt abzeichnende Besonderheit scheint die richtige Laichtemperatur zu sein. Von allgemeinen Regeln ausgehend erhöhte ich die Temperatur für den zu erwartenden Laichvorgang um 3 °C (auf 28 °C). Die Folge war, daß in vier Fällen die Eier völlig verpilzten. Erst als die Laichtemperatur einmal ungewollt 24 °C betrug, blieben die Gelege erhalten. Auf diese Weise gelangen die zuvorgenannten Schlupfergebnisse.

Es blieb also weiter auf glückliche Nachzuchten dieser interessanten Apistogramma-Art zu hoffen.

Nach zweijährigem Nervenkampf um wenigstens eine erfolgversprechende Nachzucht, sah es Mitte des Jahres 1981 tatsächlich nach einem Erfolg aus. Letzter "Segen" des Zuchtpaares waren 17 im Frühjahr geborene Jungfische, die hoffen ließen.

In einer Größe von fast 2,5 cm setzte ich sie in ein größeres repräsentatives Becken. Schließlich sollte die WF-Nachzucht des schon fast geheimnisumwitterten Fisches auch zur Geltung kommen. Das ganze geschah an einem Abend. Der Inhalt des Beckens war Wasser, Bodengrund (wie in allen meinen Becken) und die unumgängliche Technik in Form eines Schwammfilters und eines Heizstabes.

Alle Wasserwerte, d. h. Temperatur, Härte und pH-Wert, waren nach den bisherigen Erfahrungen eingestellt. Die umgesetzten Fische stoben in neuer, sauberer Umgebung auf und davon. Ihrem vornehmlich jugendlichen Wesen folgend, versteckten sich einige in den Lamellen des Schwammfilters, andere unter den Pflanzen, eine Anzahl aber hinter und um den Heizer herum.

Der erste Weg und Blick am anderen Morgen führte natürlich an das Becken. Der Eindruck war ernüchternd und niederschmetternd zugleich. Von den eingesetzten Tieren lebten noch sechs und erfreuten sich bester Gesundheit. Eigenartig war, daß alle toten Tiere direkt oder in der Nähe des Heizers lagen. Damals fand ich nichts dabei. Was war geschehen? Ich erkannte keine Unregelmäßigkeiten und wollte enttäuscht das Zuchtpaar abgeben. Mir war die Lust vergangen und bald auch die Möglichkeit, denn eines Tages hatte das Männchen sich selbst zum Witwer gemacht.

Nun lag die ganze Hoffnung bei den Jungfischen. Aber auch das klärte sich bald, denn es waren alles Männchen. Vier Tiere gab ich ab, zwei behielt ich und dem „alten Männchen" blieb nur ein Weg - der Weg in den Alkohol.Eigentlich wäre hier der Bericht auf eine hübsche und interessante Art beendet.Doch im Herbst 1981 erhielt ich durch einen Zufall nochmals ein Paar der Art und war eigentlich gar nicht so sehr erfreut darüber. Widerstrebend wollte ich noch einen Versuch machen. Auch diesmal laichten die Tiere bei 24 °C. Das Weibchen führte die Brutpflege durch.

Nachdem schon soviel schiefgegangen war und langsam auch ein Verdacht in mir aufkeimte, beließ ich die Temperatur auf dem Wert, beschloß aber, das Gelege künstlich aufzuziehen. Beides war für mich ungewöhnlich, denn man erzielt bei Temperaturen um 24 °C viele sogenannte Bauchrutscher. Vielleicht ist dieses bei diesem „Kaltwasserfisch" anders? In der Zeit bis zum Schlupf lag nun die Temperatur kurzfristig schwankend zwischen 22 °C und 24 °C. Ungewöhnlich aber erfreulich war nun die Schlupfrate. Sie betrug 100%. Ob dazu allein die tägliche Zugabe von 5 ml 3%iger Wasserstoffperoxidlösung auf 5 l Wasser beitrug, ist nicht mit Sicherheit zu sagen, aber heute sehr wahrscheinlich. Entsprechend der niedrigen Temperatur dauerte es 12 Tage bis zum Freischwimmen der Brut. Keine Bauchrutscher !

Nun kam die nächste Hürde. Werden sie diesmal Futter annehmen? Um dieses und andere Dinge besser beobachten zu können, stand das kleine Becken nicht wie in allen anderen vorangegangenen und mißglückten Versuchen in der obersten wärmeren Etage, sondern in Augenhöhe und bei einer annähernd gleichen Temperatur unter 25 °C. Zur rechten Zeit das rechte Futter geben, ist oft der ganze Erfolg. Artemien wurden bisher nicht angenommen, Zyklops-Nauplien und Rädertierchen aus dem einzigen dieses Futter enthaltenden Teiches der Umgebung auch nicht.

Ich schlug die negativen Erfahrungen in den Wind, gab Zyklops-Nauplien und es klappte. Wieso, weiß ich heute nicht zu sagen. Mit einer Lupe „bewaffnet", studierte ich nun das Verhalten der Winzlinge.

Auffallend waren drei Dinge:

1. Eine starke Neigung, sich in dunkleren Zonen aufzuhalten, vor allem in der zweiten Woche. Ich setzte daraufhin einen ausgekochten Blumentopf umgestülpt auf die Bodenscheibe und in etwa drei Stunden waren alle Jungfische darin versammelt.
2. Die Kleinen, wie auch die Halbwüchsigen und Alttiere, nehmen relativ wenig Nahrung auf, einen richtig vollen Bauch, wie bei anderen Arten, kann man nicht beobachten. Sparsamkeit beim Füttern ist deshalb angezeigt.
3. Als mehrmals aufgrund zusätzlicher Raumheizung die Temperatur im Aufzuchtbecken 25 °C überstieg, zeigte sich eine stark erhöhte Atemfrequenz. Diese erhöhte sich weiter, als die Tiere gefüttert wurden. Offensichtlich werden die Fische dann stärker belastet als mit leerem Darm. Eine schnelle Beseitigung des O2-Mangels führte ebenso schnell eine Normalisierung herbei (Temperatursenkung).

Fazit aus diesen Fakten:

Alle erfolglosen Zuchtversuche wurden bei Temperaturen über 25 °C, ohne Verstecke, bei liegendem Heizer und mit viel zu viel Futter gestartet. Die Verwendung von bakteriostatischen Mitteln (Acriflavin, Methylenblau, Brillantgrün, OTC) brachte nicht den gewünschten Erfolg, erst die Verwendung von Wasserstoffperoxid führte zu Teilerfolgen.

Meine Schlußfolgerung ist nun, daß die Art unter den üblichen Bedingungen nicht oder nur schwer zu vermehren ist. Im Gegensatz zu den meisten anderen Apistogramma-Arten ist dies offensichtlich nur bei Temperaturen unter 25 °C möglich und steht im Zusammenhang mit dem wesentlich kühleren Wasser (erhöhtes O2-Lösungsvermögen).

Nach all diesen Beobachtungen und Hypothesen bescherten mir 24 Tage nach dem ersten Gelege beide im Zuchtansatz verbliebene Eltern ein zweites und später ein drittes Gelege. Auf natürliche Weise und unter gleichen chemisch-physikalischen Bedingungen entwickelten sich etwa 200 Nachzuchttiere. Die Aufzucht derselben gelang nahezu problemlos, aber nicht ohne Spannung.

Zweifellos hat zu diesem späten Erfolg auch die vorsorglich indirekte Beheizung des Beckens, wie die häufige Temperatur-kontrolle, beigetragen. Natürlich und nicht zuletzt sei auch die Brutfürsorge genannt, denn das Weibchen verteidigte die Umgebung der Bruthöhle und die Brut selbst, so dass es schon nach "Rache" gegenüber den bisher "erduldeten Grausamkeiten aussah. Es nahm mir dadurch viel Arbeit und Sorgen ab.

Schönster Lohn aber waren prächtige Nachzuchttiere, die ich fähigen Züchtern zur Verfügung gestellt habe.




Lothar Zenner